Musik und bewegtes Bild in einer kreativen Utopie zu vereinigen, das ist ganz große Kunst. Dazu werden in der Regel große
Teams benötigt. Oder aber ein einziger genialer Visionär! Einer, der Musikvideos für Künstler wie Yelle, The Shoes oder Moby
dreht. Einer, der die bestens bekannten Videos zu Katy Perrys „Teenage Dream“ und Lana Del Reys Welt-Hit „Born To Die“ produziert.
Einer, der Werbespots, beispielsweise für das Modehaus Dior in Szene setzt und dafür in Cannes mit Preisen überhäuft wird.
Und einer, der offensichtlich die Zeit beherrscht, denn er trotzt ihr noch Momente für ein zweites Leben ab.
Ein Leben als Woodkid. Ein Leben für und in der Musik. Der eigenen Musik.
Musik erschafft neue Welten
„Durch das Drehen der Videos hat Musik für mich einen anderen Stellenwert erhalten“, erklärt Woodkid, „es war wie ein Sog,
der mich in diese Kunstform gezogen hat. Und schließlich erschafft Musik neue, andere Welten.“ So veröffentlicht Woodkid im
März 2011 seine erste EP „Iron“. Einer, mit dem kreativen Auge, wie Woodkid es nun mal hat, der lässt nicht einfach ein Video
produzieren, der muss selber eines drehen. Kaum mehr als sechs Monate im Netz, haben sich mehr als 25 Millionen Zuschauer
davon faszinieren lassen. Ein Ende dieser Faszination ist nicht abzusehen. Auch, weil das weltweit führende Game-Studio Ubisoft
seine Kampagne zum Launch vom Kassenschlager „Assassin‘s Creed: Revelation“ im Herbst 2011 weltweit mit den Klangbildern von
„Iron“ unterlegt. Das spornt an. Im Mai 2012 legt Woodkid die zweite Single mit dem Titel „Run Boy Run“ nach. Das zugehörige
Video schließt nahtlos an die Sequenzen zu „Iron“ an. So nahtlos, dass die gerade weltweit angelaufene, neue „Assassin‘s Creed
3“-Kampagne erneut darauf zurückgreift. Doch der professionelle Fankreis von „Run Boy Run“ wächst. Nike entscheidet sich dafür,
die momentane englische Kampagne nicht nur im Fernsehen, sondern auch im Kino und Online mit Woodkids Tönen zu gestalten.
Besser könnte der Beweis von Woodkids Aussage „schließlich erschafft Musik neue, andere Welten“ nicht angetreten werden.
Heftige Live-Affäre
Woodkid lässt die Töne endgültig und mit radikaler Unverblümtheit von der Leinwand springen. Das mit Macht. Dabei geht er
eine heftige Affäre mit den Livebühnen ein. So heftig, dass er dafür erstmalig mit einem 30-köpfigen Orchester und vor knapp
3.000 Zuhörern das traditionsreiche Pariser Theater „Le Grand Rex“, im vergangenen September in einen Hort des Rauschs verwandelt.
„Musik spielte auch, als ich selbst noch keine machte, in meinen Clips eine große Rolle“, gibt Woodkid zu Protokoll, “als
ich dann eigene Musik machte, sollte sie hochhausgroß sein. Bilder können das. Ein großes Orchester kann das auch und ist
meine Antwort auf diese Fragestellung.“ Es ist genau die richtige; denn gäbe es eine bessere Möglichkeit, die Vielzahl der
Gefühle, die sich in einem Menschen Bahn brechen, auszudrücken, indem sie den vielfältigen Instrumenten eines Orchesters zugeordnet
werden. Dies hat durchaus Tradition. Erinnert sei nur an das musikalische Märchen „Peter und der Wolf“ von Sergei Prokofjew.
Dabei wird jeder Figur in der Geschichte einem bestimmten Instrument zugeordnet. Ähnlich geht Woodkid vor. Er packt sich die
Gefühle und ordnet sie Instrumenten zu. „Das war für mich der einleuchtendste Weg, einen Klangkosmos im Cinemascope-Format
zum Strahlen zu bringen“, fährt Woodkid fort. So werden seine Töne genauso groß, wie seine Bilder. „Nimm drei hintereinander
gespielte Akkorde und schon kannst du ein Gefühl illustrieren“, fährt er fort, „und es fühlt sich für mich an, als könne der
gerade gespielte Akkord, den folgenden einfach provozieren und so fort. Ich kann gar nichts dagegen tun. Die Klänge turnen
durch meinen Kopf und instrumentieren jedes der Stück ganz exakt. Ich höre dabei jedes einzelne Instrument. So sind die Streicher
die harmonische Basis der Stücke, sie sind nicht irgendwelche Begleitinstrumente, sie agieren im Zentrum. Dann höre ich die
Bläser, die den Melodiebögen eine unglaubliche Kraft verliehen und die Kesselpauken, die das Stück vorantreiben.“ Und dieses
Klangbild hat er nun auch auf einer kompletten Platte, auf „The Golden Age“ in voller Pracht und Größe erschaffen.
Zerrieben zwischen Jugend und Erwachsensein
Es sind nicht irgendwelche Gefühle, deren sich Woodkid annimmt. Es geht um den Sturm und Drang der Gefühle. „Es geht um die
Zeit des Übergangs vom Jugendalter hinüber ins Erwachsenensein, in die verwirrende Hyperrealität“, konstatiert Woodkid, „ich
erzähle von der spürbaren Veränderung des Körpers, von der ersten Sexualität, vom Nichtsoseinwollen, wie es die Norm verlangt,
so lautet etwa eine Textzeile in "Run Boy Run", 'Run Boy Run!/This world is not made for you'."Es geht um Liebe, Leben und
Tod. Das Streben nach eigener Identität. Um die grundsätzlichen Krisen der Adoleszenz. „Dabei nehme ich stets die Rolle des
teilnehmenden Beobachters ein“, darauf verweist Woodkid, „nie die des ärgerlichen oder wütenden Beobachters, des kritischen
vielleicht.“ Woodkids Texte sind Ausdruck einer Krisenerfahrung und zugleich der Strategie zur Krisenbewältigung. Woodkids
Poetik folgt dabei Rainer Maria Rilke und seiner vielschichtigen Logik, die Verluste als Gewinne, Niederlagen als Siege und
Beschädigungen als Auszeichnungen verbuchen kann.
Woodkids Vertonungen von Rauschanfällen des Glücks und auch des brachialen Aufknallens in der Realität können nicht technisch
unterkühlt klingen. Sie müssen voll von instrumentaler Wärme sein. Und wieder führt kein Weg am Klangkörper Orchester vorbei.
Am Ende eines jeden Stückes hat der Hörer einen Parforceritt hinter sich, der musikalisch und textlich immer satt farbig und
nie schwarz-weiß ist. Einen, der zwar klare Konturen zeigt, sie aber an den Rändern so weich zeichnet, dass das Kopfkino des
Hörers wild befeuert wird. Dass es dabei so wild zugeht liegt an der Opulenz und der Reduziertheit der Lieder. Beides gleichzeitig.
Sie haben die Zugänglichkeit von Pop-Stücken, die mit Gitarre, Klavier und Gesang bei Kerzenlicht funktionieren, doch im gleichen
Augenblick explodiert jede einfache Note in ein grandioses Tonfeuerwerk von sinfonisch-epischen Klängen.
Vergesst alle alten Helden. Es gibt einen neuen: Woodkid. Mit der beseelten Leidenschaft, mit der er antritt, geht es nicht
um temporäres Heldentum. Nein, „The Golden Age“ ist ein Album für die Ewigkeit.
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