Do, 10. Sep 2015

CHAKUZA

Chakuza kennt Höhen wie Tiefen – als Mensch und als Künstler. Denn die Geschichte des

Rappers Chakuza ist eine Geschichte von Erfolg und Enttäuschung, von Aufstieg und Aufprall,

von laut und leise. Eine aufregende Geschichte ist es allemal.

Chakuza, der Battle-Rapper aus Österreich, der eine große Chance bekam und diese am

Schopf packte. Dann aber merken musste, dass man seinem Umfeld und, in erster Linie, sich

selbst nicht ewig etwas vormachen kann. Aus dem ländlichen, ja, behüteten Linz ging es für

Peter Pangerl von einem Tag auf den anderen direkt in den Berliner Großstadtdschungel, vom

Kellerstudio direkt auf die Bühne neben einen der größten und kontroversesten Szene-Stars.

Das eigene Produzententeam Beatlefield produzierte in fünf Jahren etliche Erfolgsalben,

Chakuza platzierte drei eigene Platten in den Top 10 der deutschen Charts. Für ihn ging es in

eine aufregende Welt, die ihn faszinierte, ihm aber mit der Zeit immer suspekter wurde. Als die

Verträge bei Ersguterjunge ausliefen und niemand so wirklich in Erwägung zog, sie zu

verlängern, stand Chakuza vor der schweren Aufgabe, seinen Fans und sich selbst zu erklären,

wer er als Künstler tatsächlich ist.

Mit »Magnolia« gab er seine Antwort in Album-Form. Die Platte erschien im März 2013 bei Four

Music. Deutscher HipHop hatte sich verändert. Chakuza auch. Deutschrap war offener

geworden, bunter, ja, positiver. Eine Entwicklung, die auch Chakuza guthieß, obwohl es ihm

selbst alles andere als gut ging. Dementsprechend dunkel war »Magnolia« – voll von

Kopfzerbrechen und Verlust, gezeichnet vom harten Kampf, das Bild von sich selbst in der

Öffentlichkeit zurechtzurücken, das er über Jahre mit härtestem Einsatz forciert hatte.

Der Kraftakt gelang, »Magnolia« wurde Chakuzas bis dato beste Platte für Kritiker wie Fans. Das

Album stieg auf Platz 5 der deutschen Charts, in Österreich sogar auf den dritten. Auch wenn

sich der eine oder andere alte Fan verabschiedet hatte, waren viele neue Fans dazugekommen.

Über 50.000 Mal hat sich »Magnolia« mittlerweile in Deutschland, Österreich und der Schweiz

verkauft. Der Name Chakuza ist präsent in der Szene und, vor allem, auch darüber hinaus. Die

Neuausrichtung des Künstlers Chakuza ist geglückt. Endlich scheint alles gut zu sein. Oder?

Tür zu.

Nach der Veröffentlichung eines Albums kommt irgendwann dieser Punkt: Irgendwann fragt das

Management, das Label, die Freunde und man selbst: Was ist mit einem neuen Album? Auch

Chakuza wird gefragt, fragt sich selbst. Er hat eine Solo-Tour gespielt, mit eigener Band, sah

dabei ganz andere Leute und durfte erkennen, dass er doch noch nicht alles gesehen hat. »Mit

›Magnolia‹ habe ich mich komplett gedreht. Dadurch habe ich meine Musik noch einmal neu

entdeckt«, sagt Chakuza jetzt. Also: ein neues Album. Doch Chakuza ist komplett leer. Es will

ihm keine einzige Zeile einfallen. Von einer konkreten Idee, in welche musikalische Richtung es

gehen soll, fehlt jede Spur.

Zu Hilfe kommt ein überraschender Kollaborateur: Max Wählen. Eigentlich ist er Chakuzas Tour-

Manager. Er spielt in einer Indie-Band, die Chakuza nicht kennt, die eigentlich kaum jemand

kennt, weil sie aus einem Dorf in Holland kommt. Max ist Teil von In Vallis, einem

Künstlerkollektiv aus Malern, Künstlern und Musikern, das in Holland, 80 Kilometer entfernt von

Köln gemeinsam in einem Haus in der ländlichen Einöde lebt.

Kurzerhand fährt Chakuza zu diesem Künstlerhaus und verbringt dort eine Woche – in der

Natur, ohne Internet, mit schlechtem Handy-Empfang. Dort entstehen vier Songs. »Es war die

schlechteste Musik, die ich jemals gemacht habe«, so Chakuza. »Aber ich wusste irgendwie, wir

würden das gemeinsam hinbekommen.« Also fährt er zurück nach Holland.

Bei der zweiten Session entsteht »Dunkel-Hell«. Ein Track zwischen Hoffnung und Hass, eine

Ambivalenz, die Chakuza nur zu gut kennt. »Und dann habe ich gemerkt: Es geht!« Frust zeigt

sich einmal mehr als kreativer Motor. Die Freunde in Berlin nerven, das Geschäft läuft nicht so,

wie man sich das vorgestellt hat, es gibt Stress mit dem Finanzamt – die Situation ist alles

andere als optimal. Oder vielleicht doch gerade optimal für Chakuza? Es kristallisiert sich ein

Motto für das neue Album heraus: »Einfach auf alles scheißen, keinen Kopf machen, wie das

Album wird oder wem es gefallen muss.«

Und dann klappt es. In fünf Tagen sind fünf Songs im Kasten. Innerhalb weniger Wochen

entsteht nicht nur das gesamte Album, sondern auch das ganze Drumherum – Video-Ideen,

Fotos, Inhalte, Cover-Artwork und Titel. »Für ›Exit‹ musste ich einfach mein Ding machen.

Alleine. Und das fertige Werk dann meinem Umfeld hinknallen. Es war sehr wichtig, dass die

ganze Musik komplett autark entstanden ist.« In dem Haus in Holland ist Chakuza in seiner

eigenen Welt, nur mit sich selbst

»Exit« ist kein Beat-Sammelsurium, wie man es von anderen Rap-Platten kennt, sondern ein

Gesamtwerk mit rotem Faden aus dem sprichwörtlichen einen Guss. Wahrscheinlich auch weil

es mit Raf Camora nur ein Rap-Feature gibt, und mit Jonathan Walter und Maxim nur zwei

weitere Gäste auftauchen, die dazu noch perfekt in die raue, melancholisch aufgeladene Textur

von »Exit« passen. »Ich wollte, dass es sich wieder nach Musik anfühlt. Vielleicht ist deswegen

auch nicht alles rund auf dem Album.« Die Songs basieren nicht auf HipHop-Beats nach

Schema F, aber natürlich kann Chakuza nicht aus seiner Haut als Rapper. »Ich bin Rapper. Ich

will mir nicht anhören müssen, dass ich das nicht kann. Weil: Ich kann es!« Mit so viel Energie

hat man ihn schon lange nicht mehr am Mikrofon erlebt. In der musikalischen Welt zwischen

zurückhaltendem Indie-Rock und hochaktuellem Cloud Rap fühlt sich Chakuza sichtlich wohl.

Diese neuen Einflüsse ermöglichen einen Schritt nach vorne, dank eines neuen Umfelds, das

von seiner Welt keine Ahnung hat.

Eines hat sich nicht verändert: Chakuza ist nach wie vor angefressen. Auch aus dieser Haut

kommt er nicht. Er raunzt und schnaubt, begibt sich in ein dunkles Loch, auch um sich dort

nicht nur zu arrangieren, sondern vielleicht sogar ein wenig gut zu fühlen. Er motzt über die

normalen Probleme, die jeder hat. Ohne Kitsch und Blumereien. »Ich kann mit fröhlicher Musik

überhaupt nichts anfangen. Ich brauche diese Melancholie, dieses Traurige – es muss nur

immer genug Energie haben.« Diese Energie ist in Chakuzas Rap-Parts zu spüren, auch wenn

»Exit« in seiner Gesamtheit ein leises Album geworden ist. Ein Album, das keinen Lärm, Stress,

kein Gebrüll braucht, um groß zu sein.

Zur Veröffentlichung von »Exit« wird Chakuza aus Berlin wegziehen. Es geht nach Bayern auf

einen eigenen Gutshof mit mehreren Häusern, Pferden, eigenem Brunnen, Bach und Wald.

Tür auf.

Am 05. September 2014 erscheint mit »Exit« das neue Album von Chakuza.

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