Do, 13. Nov 2014
JENNIFER ROSTOCK
JENNIFER ROSTOCK – HERBSTTOUR 2014 Das Album „Schlaflos“ rollte im Januar 2014 bis auf Platz 2 der deutschen Charts. Die dazugehörige Tour war die bis dahin größte – und die Hallen waren in fast allen Städten restlos ausverkauft. Nun heißt es Zugabe für JENNIFER ROSTOCK: Nach dem Festivalsommer begibt sich die Band in den Proberaum, um im Spätherbst die zweite Tour des Jahres servieren zu können. Menschen, Biere, Sensationen! Die Konfettikanonen sind bereits bis auf Anschlag gefüllt. Zieht euch warm aus! Die Fünf parken bestimmt auch deiner Stadt!
Oha, ein Pressetext. Ja, da musst du jetzt durch. Aber glaub‘ uns, es lohnt sich, und wir hoffen, du hast die Platte parallel dazu auf den Ohren. Wir beeilen uns auch mit der Einführungszeremonie und kommen schnellstgängig zum Wesentlichen! Biografische Eckdaten! Schnelldurchlauf! JENNIFER ROSTOCK, mittlerweile seit plusminus 7 Jahren umtriebig im hiesigen Musikzirkus. Ochsentouren, Festivalmarathons, 3 Alben, eine Live DVD. Seit jeher gönnte sich der Fünfer nicht eine Auszeit und blieb trotzdem verschont von allen klassischen Symptomen einer Banderosion, sei es Burnout, Bandzank oder Babypause. Stattdessen ein konstant unangestrengter Spagat zwischen Moshpitschweiß und Mainstreampräsenz, immer mit Zwinkern im Auge und Bier in der Hand. Und da Stillstand und Leerlauf keinesfalls ins Bewegungsmuster der Band passen, könnte der Titel zum nächsten Etappenziel passender kaum gewählt sein: „SCHLAFLOS“
Februar und März 2013 – Berlin. Noch berauscht von der bis dato größten Tour der Bandgeschichte überspringt man den vermeintlichen Tourlag, schüttelt das Kollateralkonfetti aus den Hosentaschen und begibt sich ohne Umwege ins Heimstudio. Die gesammelten Ideen der letzten Monate werden zu konkreten Bauplänen ausgearbeitet. Textskizzen und Melodiefetzen werden zusammengeschnipselt und schnell wird klar: was sich hier aus den Windungen schält, schreit nach einer brachialen Produktion! Um allen Beteiligten -und in erster Linie sich selbst- eine allseits heißgeliebte Deadline zu setzen, wird für den frühen Sommer ein Termin im Studio von Chris Badami vereinbart, der sich schon für das Klangkostüm vom letzten Album „Mit Haut und Haar“ verantwortlich zeichnete. Ab diesem Moment gibt es kein Zurück mehr.
April 2013 – Horus Studio, Hannover. Wurde bei den Aufnahmen des letzten Langspielers noch in den USA selbst an den Arrangements der Songs gearbeitet, soll es diesmal mit einbetonierter Grundsubstanz an die eigentliche Produktion gehen. Wie bei den echten Profis halt. Sagt man. Man mietet sich mehrere Wochen ins geschichtsträchtige Horus-Studio, um in Eigenregie den Grobschliff am bisherigen Demomaterial zu tätigen. Ohne Pausen und Rücksicht auf menschliche Grundbedürfnisse arbeitet die Band Tag und Nacht an den musikalischen Manuskripten. Bis in die Morgenstunden werden Gitarren eingeprügelt, Knöpfe gedreht und Kreativlöcher beiseite getrunken. Am letzten Tag stellt man mit bleischweren Augenlidern fest: Richtfest, das Fundament steht.
Mai 2013 – Portrait Recording Studios, New Jersey. Arbeiten, wo andere Urlaub machen! Den Sündenpfuhl New York eine halbe Stunde entfernt opfert man jedwede Versuchungen dem tugendhaften Arbeitsethos und beginnt instantly (von wegen Sprachbarriere!) mit den Aufnahmen. Als wäre die Band nie weg gewesen, erweist sich die erneute Zusammenarbeit als fruchtbares Familientreffen mit erprobter Aufnahmerhythymik. Song für Song arbeitet sich das Team durch Gittarrenorkane und verspielte Melodierefugien, um nach 5 Wochen endlich den Korken vom Schampus knallen zu lassen. „Schlaflos“, Studioalbum Nummer 4 ist eingespielt.
Nun aber im Eiltempo zum Wesentlichen. Musik! Inhalte! Worum geht es bei „Schlaflos“ eigentlich? Auch wenn der Titeltrack der erste Song war, der für das Album geschrieben wurde, war bis zuletzt gar nicht geplant, das Album „Schlaflos“ zu nennen. Es ist kein Konzeptalbum, jeder Song steht für sich und ist individuell entstanden. Erst rückblickend fiel auf, dass es dieses Metathema gibt, das alle Songs miteinander zusammenkittet. Es geht um die Dinge, die uns wach halten: Seien es Ängste und nächtliche Gedankenstrudel („Schlaflos“) oder durchfeierte Nächte, die sich am Ende auch nur als vernebelte Suche nach Antworten oder überhaupt erst der richtigen Frage heraus stellen („Phantombild“). Leiden und Leidenschaften einer Generation, die zwischen Belanglosigkeiten und Depressionen pendelt („Echolot“) und im ambulanten Exzess die einzige Möglichkeit zur Flucht findet. Doch egal wie lang manche Nächte scheinen, am Ende dämmert immer die Zuversicht. Die
Texte von JENNIFER ROSTOCK waren schon immer charakteristisch und eigen, manch einem sogar zu wirr und sperrig. Genau diese Merkmale bilden jedoch seit Anbeginn das einzigartige lyrische Aushängeschild und so findet sich auch auf dem neuen Album wieder die gewohnt markante Wortakrobatik. Aber auch auf dieser Ebene ist eine Weiterentwicklung spürbar. Konkreter Situationsvoyeurismus und Alltagsmomente spielen nun eine viel deutlichere Rolle und werden homogen in das vermeintliche Wirrwarr verwoben.
Abseits von Schwermut, Wut und Melancholie lässt die Band auch genug Platz für Leichtsinn und Leichtigkeiten. Der euphorische Sprung in die Untiefen der Nacht kommt keineswegs zu kurz, die Tanzfläche wird nicht im Stich gelassen.
Jeder, der mal eine Show der Band besucht hat, darf sich die Finger nach den neuen Stücken lecken. JENNIFER ROSTOCK liegt es bei „Schlaflos“ mehr denn je am tourgezeichneten Herzen, das Feuer und die Dynamik der Konzerte auf Platte zu bannen. Mit dem Anspruch, genau diese Energie Teil der Aufnahmen werden zu lassen, verschwendet man keine Gedanken an vermeintliche Kompromisse an Mainstream- oder Radiotauglichkeit. Auch die ruhigeren Nummern sind mit Ecken und Kanten roh geschliffen, sei es beim Titeltrack „Schlaflos“ oder „Bis hier und nicht weiter“. Der Fokus lag vollkommen darauf, die Arrangements der neuen Stücke auf Showtauglichkeit zu trimmen und so finden sich abermals moshpitaffine Breakdowns im Repertoire der Band, die sich vollkommen homogen in die härtere Gangart der Platte einfügen. Man käme fast in Versuchung, das Album „gereifter“. „erwachsener“ oder „ausgecheckter“ zu schimpfen, stünde dem ausgefeilteren Songwriting nicht diese ungezähmte Wut und spielerische Experimentierfreudigkeit gegenüber. Kreischende Punkstampfer wie „Zeitspiel“ oder „Der blinde Passagier“ und Ausmärsche in elektronische Postrock-Hiphop-Schlachtfelder wie „Ein Schmerz und eine Kehle“ umrahmen kleine Pop-Oasen wie „Hollywood“ oder „Tauben aus Porzellan“.
Die Produktion tut ihr übriges: ein Stadionschlagzeug, eingeprügelt mit Punk-Brachilität, der Bass ist durchgehend verzerrt. Das Gitarrenspektrum pendelt zwischen epischen Bombast-Wänden, trockener Auf-den-Punkt-Rotzigkeit und hoch-oktavigen Melodieläufen. Die elektronische Komponente gibt sich auf „Schlaflos“ deutlich akzentuierter, neben vereinzeltem Beat-Programming und Sound-Spielerein, tummeln sich verschiedenste analoge Synthesizer der letzten Dekaden. Jennifers Stimmrepertoire wird zu allen Polen ausgereizt, zwischen brüchig gehaucht über glasklar bis zu inbrünstig geschrien schwingen die Stimmbänder, was die Kehle hergibt. Perfektion stand bei den Vocal-Aufnahmen nicht im Vordergrund, die Magie und Emotionalität das Moments hatte totale Priorität. Keine große Effekthascherei, gerne platzierte sich auch direkt der erste Take auf der finalen Aufnahme.
Aber was erzählen wir da eigentlich so breit und ausgiebig? Hört doch einfach selber mal rein!
Lange Rede, kurze Entschuldigung: Wir, die Band, bitten die vielen schlimmen Attribute zu verzeihen, die sich zwangsläufig in einen solchen Pressetext mogeln. Viel mehr hoffen wir, dass du mit der Platte genauso viel Spaß hast wie wir. Und das meinen wir wirklich vollkommen ernst.
Bestes,